Absinth ist kein Getränk, das man einfach aus der Flasche trinkt. Wer 90%igen Absinth direkt schluckt, riskiert nicht nur eine schwere Vergiftung - er verpasst auch das ganze Erlebnis. Absinth ist kein Alkohol, der mit einem Schluck verschwindet. Er ist ein komplexes, kräuterreiches Getränk mit einer Geschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. Und ja, 90%iger Absinth existiert - aber er ist kein Getränk für ungeübte Trinker. Er ist eine Konzentration, die nur mit Respekt behandelt werden sollte.
Was ist eigentlich 90%iger Absinth?
90%iger Absinth bedeutet 90 Vol.-Prozent Alkohol. Das sind 180 Proof - fast doppelt so stark wie Wodka. Normaler Absinth liegt zwischen 45% und 74%. Ein 90%iger Absinth ist kein Getränk für den täglichen Genuss. Er ist ein Konzentrat, das meist als Basis für die Herstellung von handgefertigtem Absinth dient - oder als seltene Sammlerstücke in der Flasche bleibt. Solche Stärken kommen selten in den Handel. Wenn doch, dann meist als Blanc oder unverdünnter Esprit d’Absinthe, also der reine Alkoholextrakt aus den Kräutern, bevor Wasser und Zucker hinzugefügt werden.
Die meisten Menschen, die 90%igen Absinth trinken wollen, verstehen nicht, dass er nie pur getrunken wird. Selbst in der Schweiz, wo Absinth seit 2005 wieder legal ist, gibt es strenge Regeln: Die endgültige Flasche darf nicht mehr als 75% Alkohol enthalten. Wer also 90%igen Absinth hat, hat nicht das fertige Getränk - sondern die Rohbasis.
Wie wird Absinth traditionell zubereitet?
Die klassische Zubereitung, auch La Louche genannt, ist ein Ritual. Du brauchst:
- Einen Absinth-Glas (meist mit Skalierung)
- Einen Absinth-Löffel (mit Vertiefungen)
- Einen Würfel Zucker
- Kaltes, abgekühltes Wasser (am besten aus der Karaffe)
- Eine Flasche Absinth mit 45-74% Alkohol
So geht’s:
- Fülle das Glas mit etwa 30 ml Absinth.
- Lege den Löffel über den Rand des Glases und platziere den Zucker darauf.
- Gieße langsam kaltes Wasser über den Zucker - etwa 3 bis 5 Teile Wasser pro Teil Absinth.
- Das Wasser löst den Zucker auf und verursacht die berühmte Louche: Der klare Absinth wird milchig-trüb, weil die ätherischen Öle aus den Kräutern (Anis, Fenchel, Wermut) sich mit dem Wasser verbinden.
Dieses Ritual ist nicht nur ästhetisch - es ist chemisch notwendig. Die hohen Alkoholgehalte halten die Öle gelöst. Durch das Verdünnen werden sie freigesetzt, und erst dann entfaltet sich der volle Geschmack. Wer 90%igen Absinth pur trinkt, bekommt nur eine brennende Alkoholwolke - keine Kräuter, keine Komplexität, keine Aromen.
Was passiert, wenn man 90%igen Absinth pur trinkt?
Ein Schluck 90%iger Absinth ist wie ein Schuss reinen Alkohols - nur mit zusätzlichen Kräutern, die die Wirkung nicht mildern, sondern verkomplizieren. Der Körper reagiert sofort:
- Starke Reizung der Schleimhäute in Mund, Rachen und Speiseröhre
- Übelkeit, Erbrechen, Schwindel innerhalb von Sekunden
- Blutdruckabfall und Herzrasen
- Verlust der Koordination, mögliche Bewusstlosigkeit
Es gibt keine mystische „grüne Fee“ - nur Ethanol und Thujon. Thujon, ein Stoff im Wermut, ist in hohen Dosen neurotoxisch. In traditionellem Absinth ist es in so geringen Mengen, dass es keine Rolle spielt. In 90%igem Absinth ist es konzentriert - und das ist gefährlich. Die EU erlaubt maximal 35 mg Thujon pro Liter in Getränken. Ein 90%iger Absinth könnte leicht 100 mg oder mehr enthalten - je nach Herstellung.
Wer das trinkt, braucht nicht nach einer Halluzination zu suchen. Er braucht einen Krankenwagen.
Warum gibt es überhaupt 90%igen Absinth?
90%iger Absinth existiert nicht für den Konsum - er existiert für die Herstellung. Einige traditionelle Destillateure in der Schweiz, Frankreich oder der Tschechischen Republik produzieren ihn als Esprit d’Absinthe - einen reinen Alkohol-Extrakt aus destillierten Kräutern. Dieser wird dann mit Wasser verdünnt, gezuckert und abgefüllt. Ein Hobby-Distillateur könnte ihn kaufen, um selbst Absinth herzustellen. Ein Sammler könnte ihn besitzen, weil er selten ist. Aber niemand sollte ihn trinken - außer als Tropfen in einem Getränk, das er selbst hergestellt hat.
Einige Online-Händler verkaufen ihn als „reiner Absinthextrakt“ - oft mit Warnhinweisen, die niemand liest. Das ist kein Produkt für den Endverbraucher. Es ist eine chemische Substanz, die mit großer Vorsicht behandelt werden muss.
Wie kann man 90%igen Absinth sicher nutzen?
Wenn du 90%igen Absinth hast - und du weißt, was du tust - dann nutze ihn nur als Grundlage. Hier sind zwei sichere Methoden:
- Verdünnen für eigene Absinth-Herstellung: Gib 10 ml 90%igen Absinth in 100 ml destilliertes Wasser. Rühre um. Füge 5-10 g Zucker hinzu und rühre, bis sich alles gelöst hat. Lasse 24 Stunden ruhen. Filtere durch ein feines Tuch. Du hast jetzt einen Absinth mit etwa 8% Alkohol - noch zu schwach, aber als Ausgangspunkt. Füge mehr Konzentrat hinzu, bis du bei 45-60% ankommst.
- Als Aromatikum in Cocktails: Ein einziger Tropfen (ca. 0,1 ml) von 90%igem Absinth in einem Liter Gin-Tonic verleiht eine subtile, komplexe Note. Zu viel macht den Cocktail bitter und giftig.
Arbeite immer mit Pipetten oder Tropfflaschen. Keine Gläser, keine Schöpfkellen. Lagere den 90%igen Absinth fern von Kindern, Feuer und direktem Licht. In einer dunklen Flasche im Kühlschrank hält er Jahre.
Was ist der Unterschied zu normalem Absinth?
Ein normaler Absinth ist ein fertiges Getränk. Er ist verdünnt, gezuckert und abgefüllt. Er hat einen Alkoholgehalt zwischen 45% und 74%. Er ist trinkbar, wenn er richtig zubereitet wird. Er enthält keine gefährlichen Mengen Thujon. Er ist für den Genuss gemacht.
90%iger Absinth ist ein Rohstoff. Er ist nicht trinkbar. Er ist nicht für den Konsum gedacht. Er ist eine chemische Konzentration - und er sollte so behandelt werden.
Was passiert, wenn man ihn mit Wasser mischt?
Wenn du 90%igen Absinth mit Wasser mischst, entsteht kein Absinth - sondern eine gefährliche Mischung. Die Verdünnung ist nicht einfach. Wenn du 10 ml 90%igen Absinth mit 90 ml Wasser mischst, erhältst du 9% Alkohol - das ist weniger als Bier. Aber du hast dabei auch die Thujon-Konzentration verdünnt. Das Problem: Du weißt nicht, wie viel Thujon im Original war. Und du hast keine Kontrolle über die Qualität. Kein Hersteller gibt die Thujon-Menge an. Du kannst nicht wissen, ob du 50 mg oder 200 mg pro Liter verdünnt hast.
Das ist kein DIY-Projekt für Anfänger. Es ist eine chemische Experimentierkiste mit Risiko.
Warum ist Absinth so umstritten?
Im 19. Jahrhundert wurde Absinth als „grüne Fee“ verherrlicht - als Quelle der Kreativität für Künstler wie Verlaine, Oscar Wilde oder van Gogh. Doch viele starben an Alkoholismus, nicht an Thujon. Die Industrie nutzte die Angst, um Absinth zu verbieten - und die Wissenschaft hat seit den 1990er Jahren bewiesen: Die Thujon-Wirkung war übertrieben. Der wahre Feind war der Alkohol - und die schlechte Qualität vieler Produkte damals.
Heute ist Absinth legal, kontrolliert und sicher - wenn er richtig hergestellt ist. Aber 90%iger Absinth ist kein Teil dieser Geschichte. Er ist ein Relikt, ein Exot, ein Risiko.
Was ist die richtige Einstellung zu Absinth?
Respekt. Nicht Angst. Nicht Mythos. Nicht Abenteuer.
Trink Absinth wie einen Wein: langsam, bewusst, mit Wasser, mit Zeit. Genieße den Duft, die Farbe, die Veränderung im Glas. Lass den Zucker schmelzen. Lass den Absinth sich entfalten. Das ist der ganze Zauber.
90%iger Absinth hat keinen Platz in deinem Glas. Er hat Platz in deiner Sammlung - oder in der Werkstatt eines Destillateurs. Aber nicht in deinem Körper.
Was tun, wenn jemand 90%igen Absinth getrunken hat?
Wenn jemand versehentlich einen Schluck 90%igen Absinth getrunken hat:
- Nicht erbrechen lassen - das kann die Speiseröhre weiter verletzen.
- Kein Wasser oder Milch trinken - das verändert nichts an der Toxizität.
- Unverzüglich den Notruf wählen: 112 in Deutschland.
- Die Flasche aufbewahren - der Arzt muss wissen, was eingenommen wurde.
Einige Symptome treten erst nach 30-60 Minuten auf. Warte nicht. Rufe an. Sofort.